Rüflensmühle

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Sonntag, 8. September 2013

Private Rückhaltebeckenvariante 3K für Oppenweiler: Hochwasserschutz, Naturschutz, Energieerzeugung und Naherholung



Nachfolgend wird die privat d. h. von Herrn Lind und mir erstellte Rückhaltebeckenvariante 3K für Oppenweiler im Detail vorgestellt


Grundlagen

Die Grundlage der privaten Planungsvariante 3K (Anmerkung: K = Küenzlen) ist die Planungsvariante 3 des Wasserverbandes Murrtal. Die Variante 3  ist eine Vorplanung der aktuellen Variante 3b – mit Erhalt und Weiterbetrieb der Rüflensmühle – die vom Wasserverband Murrtal verworfen und nicht weiterverfolgt wurde.

Schematische Darstellung der urspünglichen Variante 3

Die Planung 3  sah vor, die Stauhaltung der Rüflensmühle zu erhalten. Zur Erreichung der Stauhöhe wurde in den neuen Flusslauf eine Raue Rampe eingeplant; diese hatte allerdings nur die Breite des Flussbettes. Diese Planungsvariante hätte sowohl Kosten für den Unterhalt der alten Stauhaltung der Rüflensmühle verursacht als auch zu einem extremen Verlanden des Zuleitungskanals zum Kraftwerk geführt (bei einer Flussbreite von rund 20 m und einem Anlagenzufluss von geplanten nur 1.500 l/s) Weiter hätte diese Variante zu einer frühzeitigen Vorfüllung des Rückhaltebeckens aufgrund der geringen Breite der Rauen Rampe geführt. Darüber hinaus wären jeweils Mindestwassermengen für die ökologische Durchgängigkeit der einzelnen Flussläufe notwendig gewesen, die einen Weiterbetrieb der Rüflensmühle aus wirtschaftlichen Gründen unmöglich gemacht hätten. 
Eine Bereitschaft von offizieller Seite, eine Planungsvariante auszuarbeiten, die den Betrieb der Rüflensmühle zugelassen hätte, war nicht erkennbar. Aus diesem Grund wurde von privater Seite die öffentliche Planung überabeitet und umfangreich aufgewertet, um den Weiterbetrieb, ja sogar den Ausbau der Rüflensmühle, der bereits 1998 im Rahmen meiner Diplomarbeit  untersucht wurde, mit einer Leistungserhöhung von rund 50 % zu ermöglichen. Die detaillierten Ausbaupläne der Rüflensmühle wurden hier bereits vorgestell.

Gesamtübersicht Variante 3K: Hochwasserrückhaltebecken Oppenweiler mit Integration der Rüflensmühle (rot)
 
Des Weiteren wurde das privat erstellte Konzept um die Bereiche Naherholung und Naturschutz erweitert . Im Einzelnen wurde in der Variante 3K gegenüber der Variante 3  folgendes ergänzt bzw. verändert:

- Stauhaltung Rüflensmühle mittels Schlauchwehr, Abflussleistung 121 m³/s bei einer Breite von ca. 25 m
- Entfernung der Rauen Rampe als Stauhaltung der Variante 3 und der ursprünglichen Stauhaltung der Rüflensmühle
- Schacht mit Tiefschütz im Dammbauwerk mit maximalem Durchfluss von 5 m³/s für das Zuleitungsgewässer
-  Erweiterung Rüflensmühle mittels Wasserkraftschnecke, Ausbau der Kraftwerksleistung von 1.350 l/sec auf 2.600 l/sec
-  Raugerinne mit Beckenstruktur im bisherigen Flussbett der Murr als Fischaufstieg
-  Erweiterung der Biotopstruktur zwischen Rüflensmühle und Dammbauwerk
-  Parkplätze zur Naherholung
-  Zugang zum Wasser und Informationsplattform
-  Spiel- und Liegewiese

Da es auf rein privater Basis mit enormem Aufwand verbunden ist, eine solch komplexe Planungsüberarbeitung durchzuführen, wurde Herr Prof. Dr. Jürgen Giesecke bereits Ende 2011 um eine erste Stellungnahme zur Machbarkeit dieser damals von den Autoren nur grob skizzierten Variante 3K gebeten. In seiner Stellungnahme bescheinigte Herr Prof. Dr. Giesecke Anfang 2012 dieser Planungsvariante eine Möglichkeit für das gleichzeitige Berücksichtigen der Belange aller Betroffenen und eine prinzipielle Ausführbarkeit in wasserbaulicher Sicht:

„Die Schlussfolgerung aus den Darlegungen ist, dass durchaus für alle Seiten der am Projekt „Hochwasserschutz Oppenweiler“ beteiligten Parteien eine Kompromisslösung gemäß dem jüngsten Vorschlag der Familie Küenzlen als möglich erscheint. Sowohl die flussbaulichen Maßnahmen zum effizienten Hochwasserschutz, die Errichtung eines Hochwasserrückhaltebeckens (Trockenbecken), ferner die Aufsiedelung hochwassergeschützter Flächen, die Straßenumlegung der B14 und die Schaffung von Erholungs- und Freizeitzonen als auch die bedeutsame Wahrung des der Familie Küenzlen zustehenden Wasserrechtes und die verstärkt nachgefragte Wasserkraftnutzung lassen sich durchaus auf einen Nenner bringen.“
Diese Stellungnahme war der endgültige Startschuss für die beiden Autoren, diese Planung zu verfeinern und im Detail privat weiter auszuarbeiten. Durch eine weitere, inzwischen erhaltene Stellungnahme (nebst Detaillierung der Planung) von Herrn Dr. Klaus Jorde (Schneider & Jorde / KJconsult) wurde endgültig die wasserbauliche Ausführbarkeit der Variante 3K bestätigt.

 

Hochwasserschutz

Bei Planung der privaten Variante 3K wurde großer Wert darauf gelegt, die gleiche Leistungsfähigkeit bei Hochwasser wie die öffentlichen Variante 3b – d. h. eine niedrigere Regelabgabe des Beckens durch Vermeidung einer Vorfüllung wie in Variante 3 – zu erreichen. Aus diesem Grund wurde die Abflussleistung über das geplante Schlauchwehr auf die Regelabgabe von 121 m³/s – bei einer Wehrbreite unter 25 m – festgelegt. Bei Hochwasser wird der Schlauch abgesenkt und vermeidet so an dieser Stelle eine ungewollte Vorfüllung des Hochwasserrückhaltebeckens. Die Abtrennung des neuen Zuleitungsgewässers zur Rüflensmühle vom Rückhaltebecken erfolgt durch einen Tiefschütz im Damm des Beckens. Auch hier wurde Wert auf eine betriebssichere Konstruktion gelegt, um die Funktionsfähigkeit des Rückhaltebeckens in vollem Umfang zu gewährleisten. Damit hat die Variante 3K die gleiche Leistungsfähigkeit in Sachen Hochwasserschutz und Betrieb des Rückhaltebeckens wie die Variante 3b

 

Ökologische Durchgängigkeit

Die ökologische Durchgängigkeit der Planungsvariante 3b des Wasserverbandes Murrtal zur Erfüllung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie soll alleine durch die vollständige Beseitigung der Stauhaltung der Rüflensmühle erfolgen. Bedingt durch die Verbreiterung des Flussbettes für die geplante Regelabgabe des Rückhaltebeckens von rund 121 m³/s wird für die Durchgängigkeit des neuen Flussbettes (gemäß Stellungnahme des zuständigen Landratsamtes) eine Mindestwassermenge von 1,3 MNQ in Höhe von  800 l/s benötigt. Andernfalls kann sonst die notwendige Wassertiefe innerhalb des gegenüber dem vorhandenen Flussbett (Breite ca. 9 m) stark verbreiterten neuen Flussbettes  für die im Fluss lebenden Fische nicht erreicht werden. Des Weiteren müsste in der Planungsvariante 3b die Durchgängigkeit des sehr langen Durchlassbauwerkes (inklusive Tosbecken) dauerhaft gewährleistet werden.

Schnitte durch ein Becken des Raugerinnes

In der Variante 3K wird die ökologische Durchgängigkeit des Standortes Rüflensmühle durch ein Raugerinne mit Beckenstruktur, bestehend aus 25 Becken, auf einer Länge von rund 100 m bei einer Höhendifferenz von knapp 3,2 m erreicht. Dies entspricht einer Absturzhöhe pro Becken von ca. 13 cm. Die Planung des Raugerinnes wurde eng an das Merkblatt DWA-M 509 „Fischaufstiegsanlagen und fischpassierbare Bauwerke“ angelehnt. Das Gerinne wird im ursprünglichen Murrbett angelegt. Aufgrund der Beckenstruktur genügen für den Betrieb des Raugerinnes 200 l/s an Mindestwasser.


Raugerinne mit Beckenstruktur als Fischausftieg im bisherigen Flussbett der Murr

Das angrenzende Biotop (lila Einfärbung) ist Teil des Gerinnes und wird an ca. 90 Tagen im Jahr von maximal ca. 2,2 m³/s durchströmt, nur bei Stillstand der Wasserkraftanlagen kann eine höhere Durchströmung erfolgen. Durch die verwendete Beckenstruktur kann die erforderliche Fließtiefe auch bei kleinen Abflüssen erreicht werden. Fischen stehen bei dieser Bauweise mehr Ruhezonen zur Verfügung. Zur Sicherstellung der ökologischen Durchgängigkeit für Wirbellose und schwache Schwimmer wurden sowohl Öffnungen in Sohlnähe als auch Lücken am Ende der Riegel vorgesehen. Zur Instandhaltung wurde ein Bewirtschaftungsweg (grüne Einfärbung) geplant. 

 

Erweiterung der Wasserkraftnutzung

Im Zuge der Planungsvariante 3K wurde mit Blick auf den Fischabstieg der Einbau einer zusätzlichen Wasserkraftschnecke vorgesehen. Damit soll ein Ausbaugrad von 2.600 l/s erreicht werden, der einer Wassermenge entspricht, die an ca. 100 Tagen im Jahr in der Murr überschritten wird. Derzeit verfügt die Rüflensmühle nur über eine Turbine mit maximalem Schluckvolumen von 1.350 l/sec.


Geplante Ausführung der Wasserkraftschnecke im vorhandenen Bauwerk mit minimalem Eingriff in das bestehende Bauwerk (Planung Firma REHART GmbH Ehingen)

Durch diese Erweiterungsmaßnahme wäre bei Niedrigwasser nur im Raugerinne selbst die Mindestwassermenge von 200 l/s vorhanden, da direkt am Ende des Raugerinnes in Niedrigwasserzeiten das gesamte Wasser der Murr wieder über den Betrieb der Wasserkraftschnecke zur Verfügung steht. Der ca. 200 m lange, mittelalterliche Ausleitungskanal der vorhandenen Turbine wäre in der Regel nur noch bei größeren Abflüssen (> 1.000 l/s) in Betrieb. Die Inbetriebnahme der Turbine würde so erfolgen, dass im Flussbett unterhalb des Raugerinnes in der Regel eine Wassermenge von mindestens 500 l/s zur Verfügung stehen würde, um die ökologische Durchgängigkeit und die dafür notwendigen Wasserhöhen für die bemessungsrelevante Fischart zu gewährleisten. Diese Wassermenge von 500 l/s wurde vom zuständigen Landratsamt zur Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie in diesem Abschnitt der Murr festgelegt. 
Das neue Flussbett innerhalb des Trockenbeckens wird erst ab Abflüssen über 5.000 l/s (an  ca. 35 Tagen im Jahr) überhaupt von Wasser durchflossen. Bedingt durch diese niedrigen Abflüsse ist eine natürliche Sohlausbildung im gesamten – in der Variante 3K neu geplanten – Bereich der Rüflensmühle möglich, eine ungewollte Ausspülung des Sohlsubstrates bei Hochwasser erfolgt nicht. Bedingt durch regelmäßig erhöhte Abflüsse kommt es ebenfalls nicht zur einer Verschlammung des Bereiches. Im Bereich Rüflensmühle wird damit der von der europäischen Wasserrahmenrichtlinie geforderte gute ökologische Zustand ohne größeren Aufwand erreicht. Künstliche Fremdkörper wie z. B. ein ca. 100 m langes Durchlassbauwerk wie in Variante 3b müssen hier nicht passiert werden.
Als Vorbild dieser Kombination aus Wasserkraftschnecke und Fischaufstieg zur ökologischen Verbesserung eines Flusslaufes diente das bereits ausgeführte und in einer Stellungnahme des Regierungspräsidiums Stuttgart als positiv beurteilte Kraftwerk Klepsau an der Jagst: „Mit der Abgabe eines zusätzlichen Mindestabflusses von ≥ 1MNQ über eine Wasserkraftschnecke und den Fischaufstieg hat sich sofort ein guter ökologischer Zustand dort eingestellt“.  Hier konnte durch die Kombination aus Wasserkraftschnecke und Fischaufstieg eine deutliche ökologische Aufwertung des Standortes gegenüber dem bisher vorhandenen Ausleitungskanal des Kraftwerkes erreicht werden. Auch hier ist die Turbine nur noch bei größeren Abflüssen in Betrieb.

 
Kombination aus Wasserkraftschnecke (im Hintergrund rechts) und Sohlgleite zum Fischauf und -abstieg (im Vordergrund links) in Klepsau an der Jagst


Wasserkraftschnecke in Klepsau an der Jagst

Darüber hinaus wird neben der Schaffung der ökologischen Durchgängigkeit im Bereich Rüflensmühle ein ca. 600 m langer Flussbereich ohne unnatürlich hohe Fließgeschwindigkeiten geschaffen. Die Gewässersohle und die Randbereiche in diesem Flussabschnitt können sich ohne übermäßigen Hochwasserstress entwickeln, auch größerer Bewuchs inklusive großer Bäume in Sohlnähe kann zugelassen werden.

 

Ökologische Aufwertung im Bereich des Zuleitungsgewässers


Vorhandenes, nach § 32 NatSchG streng geschütztes Feuchtbiotop im Staugebiet der Rüflensmühle
Die Variante 3K sieht dagegen einen umfangreichen Erhalt des Feuchtbiotopes vor. Im Bereich des derzeitigen Staugebietes sollen zusätzliche weitere Biotopbereiche mit unterschiedlichen Wasserständen im Bereich des neuen Zuleitungsgewässers (ehemaliges Staugebiet) zur Rüflensmühle geschaffen werden. Der Unterhalt des Zuleitungsgewässers ist komplett über das Gewässer selbst geplant, d. h. die Uferbereiche und der Bewuchs können sich natürlich entwickeln. Der mittelalterlichen Mühlkanal der Layher‘schen Mühle (Stadtbiotop innerhalbder Stadt Backnang) kann als Vorbild angesehen werden. Eine ähnliche langfristige Entwicklungsmöglichkeit ist für das neue Zuleitungsgewässer zur Rüflensmühle vorgesehen.

Mittelalterlicher Mühlkanal der Layerschen Mühle in Backnang

Des Weiteren soll der Bereich um das Raugerinne entsprechend als Biotop ausgebildet werden. Vor allem der BUND setzt sich für den ökologischen Ausbau von Wasserkraftanlagen in Baden-Württemberg ein. Vom BUND  heißt es dazu wörtlich: „Der BUND Baden-Württemberg fordert den ökologisch verträglichen Umbau und Ausbau der Wasserkraft in Baden-Württemberg. Er spricht sich für die Modernisierung oder den Neubau von Wasserkraftanlagen an bestehenden Querverbauungen aus, wenn dabei eine ökologische Verbesserung erzielt wird. Mit seinem Bekenntnis zur Wasserkraft nimmt der BUND Baden- Württemberg einen Verzicht auf die ökologische Optimierung der betroffenen Gewässer in Kauf“.
 
Da durch die Abschottung des Zuleitungsgewässers im Falle der Beckenfüllung in diesem Bereich keine unnatürlich hohen Strömungsgeschwindigkeiten auftreten (entgegen dem Uferbereich des neuen Hochwasserkanales), können sich hier die Ufer- und Biotopbereiche ungestört entwickeln. Sie profitieren von den wechselnden Wasserständen im Zuleitungsgewässer, d. h. die neuen Biotope können so angelegt werden, dass diese ab bestimmten Zuflüssen in diesem Bereich überschwemmt werden bzw. auch dauerhaft feuchte Bereiche sind angedacht.


 

Naherholungskonzept

Als weitere Säule der Variante 3K wurde ein Konzept zur Verbesserung der Naherholungsmöglichkeiten integriert. Das breite, unbebaute Flusstal (flussaufwärts der Rüflensmühle in Richtung Sulzbach) und insbesondere der für den Autoverkehr gesperrte landwirtschaftliche Weg entlang der Murr sind beliebt bei Radfahrern, Joggern, Spaziergängern und Inline-Skatern. Direkt im Bereich der derzeitigen Wehranlage befindet sich ein Knotenpunkt des überregional bekannten Stromberg-Murrtal-Radweges. 

 
Plandetail der Variante 3K mit vorhandenem und neu zu schaffendem Biotopen (violette Einfärbung) im Bereich des derzeitigen Staugebietes der Rüflensmühle
In diesem ganzen Bereich fehlen seit Jahren Parkplätze. Die Variante 3K enthält aus diesem Grund direkt im Baufeld des künftigen Dammes Parkmöglichkeiten. Für diese Parkmöglichkeiten werden lediglich Flächen verwendet, die bisher als Ackerland genutzt wurden und zur Herstellung des Dammes und des Hochwasserkanales sowieso herangezogen und beeinträchtigt werden (rote Pfeile).
Angrenzend an die Parkplätze werden weitere Flächen des Baufeldes des Dammes als Spiel- und Liegewiese ausgebildet. Des Weiteren wird im Bereich des neuen Dammes ein Zugang zum Wasser vorgesehen. Als Zugang zum Flusslauf ist eine Treppe nebst Plattform unterhalb des Dammes geplant. Dieser Zugang ist von den Parkplätzen schnell erreichbar. 
Als Informationsmöglichkeit über die Funktionsweise des Rückhaltebeckens, die regenerative Energieerzeugung und über die angrenzenden Biotope wurde auf dem Damm (im Bereich des Tiefschützes) eine Informationsplattform mit entsprechenden Informationstafeln eingeplant. Die Plattform bietet die Möglichkeit, von oben in die Biotope einzusehen. Das Technikbauwerk Wehr und die regenerative Energieerzeugung durch Wasserkraft werden damit ebenfalls erlebbar.

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